Datenschutzskandale

Meine Rede am Mittwoch Nachmitag im Plenum:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Geheimdienst-Skandale rund um das Thema Datenschutz sind leider mittlerweile fast ein fester Bestandteil der Berichterstattung in den täglichen Nachrichten geworden.
Es wird immer deutlicher, wie umfassend und tiefgreifend die Möglichkeiten der Geheimdienste sind, Daten und Informationen in den Bereichen Verteidigung, Wirtschaftsspionage aber auch im Bereich privater Daten zu speichern, auszuwerten und zu benutzen.
Durch die Veröffentlichungen des sogenannten Whistleblowers, Edward Snowden, wurde erstmals die Dimension der Auslandsspionage einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Ohne diese Veröffentlichungen würden wir bei weitem nicht so oft und im Detail über die Angriffe auf unser Land reden, ganz einfach, weil wir nicht nur den Hauch einer Ahnung von diesen Vorgängen hätten.
Die Spionageabwehr Deutschlands war vor diesen Enthüllungen deutlich außerhalb der Bündnispartner angelegt. Dass die Hauptbedrohung durch Spionage aber gerade von diesen kommt, ist besonders verwerflich.

Dennoch möchte ich auch auf der anderen Seite deutlich machen:
Die SPD teilt ausdrücklich nicht den unterschwelligen Tenor und die einseitige Haltung der Linken in ihrer Anfrage. Das möchte ich hier für uns klarstellen. Wir haben den USA unsere Freiheit und Sicherheit in Europa zu verdanken. Es ist für uns wichtig, dies an dieser Stelle noch einmal zu betonen.
Gerade deshalb muss unter Freunden und Partnern ein klares Wort möglich und nötig sein.
Spionage bei Freunden darf und muss ‚Konsequenzen haben und kann nicht aus Angst oder gar Duckmäusertum ausbleiben.
Was wir aktuell unter dem Skandal rund um die Operation Eikonal erfahren, zeigt, dass Abhängigkeiten bestanden und wahrscheinlich noch bestehen, die von großer Bedeutung für die vertrauensvolle Zusammenarbeit sind.
Als die Kanzlerin in Zusammenhang mit den neuen Medien von „Neuland“ sprach wurde das vom Netz ironisch und auch sehr belustigt zu Kenntnis genommen.
Aber das sich hinter diesem Begriff die vermeintliche Ahnungslosigkeit des gesamten Kanzleramtes vereint, war den Menschen sicher nicht bewusst.
Da war das Versprechen der Amerikaner, sich auf deutschem Boden an deutsches Recht zu halten. Das können wir ja auch der aktuellen Antwort der Landesregierung auf die Anfrage entnehmen.

Aber in einem Vermerk des BND von 2005 stand, das wissen wir heute, dass man dieses Versprechen aufgrund der „technischen Unterlegenheit“ des BND gar nicht überprüfen könne.

Mindestens bei verschlüsselten Verkehren könne der BND doch gar nicht beurteilen, was sich in den abgefangenen Daten befinde. Die „volle Kontrolle durch den BND ist real nicht möglich“, stand in einem Vermerk für das Kanzleramt.

Das wir in Hessen besonders betroffen sind haben wir in den vergangenen Diskussionen hier im Haus zu diesem Thema immer wieder festgestellt.

Der für das Abhören durch die Amerikaner wichtigste Telefon- und Datenknoten ist in Frankfurt, die Überwachung wurde mit Hilfe der deutschen Behörden seit mindestens 2004 organisiert.
Ein Filter namens „Dafis“ sollte die Daten von deutschen Staatsbürgern herausfiltern; dieser funktionierte aber nie richtig und man geht davon aus, dass höchstens 95 % aller grundrechtsgeschützten Daten herausgefiltert wurden. So war in der Berichterstattung zu lesen.
Auch der Dagger-Komplex in Darmstadt taucht immer wieder in Zusammenhang mit den Spionagetätigkeiten auf. Die Auskünfte dazu in der Antwort auf die Anfrage beziehen sich dabei auf die dort stationierte 66th Military Intelligence Brigarde. Bei einer Einheit die sich Militärspionagebrigarde nennt ist der Interpretationsspielraum was dort gemacht wird sehr begrenzt meine Damen und Herren.

Die Lethargie und vielleicht auch die Ohnmacht im Kanzleramt wird sicher in den nächsten Tagen noch Thema der Berichterstattung zur NSA sein.
Wir könne gespannt sein wie der verantwortliche damalige Kanzleramtschef und heutiger Innenminister Thomas de Maiziere mit den Vorwürfen umgeht, dass spätestens seit 2008 Informationen zu den Vorgängen in der Zusammenarbeit von BND und NSA bekannt waren die auch die deutsche Wirtschaft wie z. B. EADS, Eurocopter und andere betraf.
Die Vereinigten Staaten haben bei der Sammlung und Verwendung von Daten einen völlig anderen Blick auf Bürgerrechte als wir in Deutschland.
Nicht alles was an Sammlungen von Daten und deren Auswertrung möglich ist kann und darf auch umgesetzt werden.
Was wir gerade mit der NSA erleben, ist eine Realität gewordene Allmachtsfantasie. Die Präventionsidee ist übermächtig geworden. Es steckt der Gedanke dahinter „Wir verhindern die Taten, bevor sie mehr sind als Gedanken“.
Wir müssen als Deutschland und Europa darauf reagieren und müssen diesem Handeln Grenzen sezten.

Der Hess. Datenschutzbeauftragte, Herr Prof. Ronellenfitsch war in der Beurteilung der Datenspionage deutlicher als die Landesregierung in der Beantwortung der Anfrage. Er hat als ersten Punkt in seinem Datenschutzbericht den wir vor kurzen hier behandelt haben gesagt: Ich zitiere:
Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen muss aber jedenfalls davon ausgegangen werden, dass US-amerikanische und britische Nachrichtendienste anlasslos massenhaft Telekommunikationsverkehre auch in Hessen überwacht haben. Es sollte sich von selbst verstehen, dass auch bei der TK-Überwachung befreundeter Dienste in Deutschland deutsches Recht nicht nur zu achten, sondern strikt zu beachten ist. In diesem Sinne habe ich mich mehrfach geäußert und für den Fall eklatanter Verstöße gegen deutsches Recht auf die Möglichkeit hingewiesen, bei meiner Kontrolle unterliegenden Datentransfers in die USA die Datenübermittlung nach Art. 3 Abs. 1 des sog. Safe Harbor-Abkommens auszusetzen.
In diesem Abkommen erklärt sich die USA bereit, die Datenschutzregeln in Europa anzuerkennen und wird im Gegenzug als ebenfalls sicheres Land eingestuft. Ein enormer wirtschaftlicher Vorteil in den Beziehungen. Eine gute Sanktionsmöglichkeit bei solchen Vergehen wie sie vorgeworfen werden.
Der Datenschutz in den USA ist kaum rechtlich durch Gesetze oder vergleichbare Vorschriften geregelt. Die beiden globalen Schwergewichte Europa und USA verfolgen jeweils andere Strategien beim Thema Datenschutz.

In Europa und Deutschland regeln allgemeine Grundsätze und gleich mehrere Gesetze den Datenschutz übergreifend und für alle gleichermaßen (auch hier gibt es weitere speziellere Gesetze). In den USA gibt es hingegen lediglich einen sektoralen Schutz, der bestimmte Gruppen anspricht.
Allgemein lässt sich sagen, dass in den USA kein dem europäischen oder deutschen Datenschutz vergleichbares Niveau besteht.
Auch aus diesem Grund brauchen wir Regeln die beiderseits des Atlantiks gelten und Sanktionen wenn wir sie nicht beachten, auch und gerade unter Freunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren
Sicher kann man in diesem Zusammenhang überhaupt auch den künftigen Umgang mit der sogenannten Vorratsdatenspeicherung ansprechen.

Nachdem der EuGH die alte Regelung gekippt hat wurde nach den Anschlägen von Paris eine neue Debatte über die Notwendigkeit einer Regelung erneut diskutiert.

Bundesjustizminister Heiko Maas hat nun Leitlinien erarbeitet die einen guten Kompromiss zwischen den Anforderungen an eine sichere, dem Zweck der Kriminalitätsbekämpfung dienende und den Ansprüchen an das EuGh Urteil genügende Gesetz erreicht.

Heiko Maas will die Daten nur sehr kurz speichern lassen, die vorgeschlagene Regelung ist damit deutlich enger als die alte EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Außerdem werden E-Mails nicht erfasst, nur Telefonie und andere Internetkommunikation. Daten, die Rückschlüsse auf den Standort einer Person erlauben, dürfen sogar nur vier Wochen lang gespeichert werden. Ein komplettes Bewegungsprofil einer Person soll so nicht erstellt werden können.
Die vorgestellten Leitlinien stellen nach meiner Auffassung einen guten Kompromiss dar. Es ist eben dieser kritische Umgang mit der Speicherung persönlichen Daten, der uns eklatant von der Auffassung der Mehrheit der Amerikaner aber auch mancher anderer Europäischer Staaten unterscheidet.
Die Herausbildung einer Datenethik kann meines erachtens nur erfolgen, wenn ein kritischer Diskussionsprozess die Verträglichkeit mit unseren Werten, Grundsätzen und Vorstellungen sicherstellt.
Gerade das muss unter befreundeten Staaten möglich und geboten sein.

Das Thema Cybersicherheit steht dabei in engem Kontext. Die Landesregierung verweist diesbezüglich in ihrer Antwort auf die Zusammenarbeit und die Erfahrung von externen Fachkräften und beschreibt einen engen Erfahrungsaustausch mit anderen mit Cybersicherheit beauftragen Behörden und Vertretern.
Grundsätzlich sehen wir eine enorme Steigerung im Bereich der Internetkriminalität. Dieses stetig wachsende Problem benötigt die entsprechende Aufmerksamkeit der Fachleute bei Polizei und Justiz, die über ein unglaublich gutes Fachwissen verfügen müssen. Diese Fachleute in Zeiten von Nullrunden und erschwerten Arbeitsbedingungen zu finden und zu halten ist eine Herausforderung! Das BKA zählte im Jahr 2013 64.426 Fälle von Cyberkriminalität in Deutschland, damit stieg die Zahl um 20 Prozent. So viel wie in keinem anderen Bereich.
Wir wollen als SPD Fraktion die Zahlen für Hessen nochmal aufgearbeitet haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir einen umfangreichen Berichtsantrag auf den Weg gebracht haben der mehr Licht auf die Verhältnisse in Hessen bringen soll. Insbesondere wollen wir Fragen der gesetzlichen Grundlagen, Maßnahmen und Methoden, Fallzahlen sowie natürlich die Angaben von Personal- und Finanzmittel zum Thema Cyberkriminalität beantwortet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Anfrage der Faktion „Die Linke“ beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum von Themen rund um die Überwachung und die Dienste, die damit betraut sind.

Deshalb möchte ich auch den Verfassungsschutz in Hessen in meiner Rede nicht außen vorlassen.
Die SPD-Fraktion hat zur parlamentarischen Kontrolle in der letzten Legislaturperiode mehrfach Gesetzentwürfe eingebracht, die weitergehender waren als die der Landesregierung. Unser letzter Entwurf sah beispielsweise die Unterstützung der Mitglieder durch Mitarbeiter vor.

Das Innenministerium hat im letzten Jahr in einer Pressekonferenz erneut entsprechende Gesetzentwürfe in einer Pressekonferenz vorgestellt. Das Verfahren war insofern verwunderlich, da die NSU-Expertenkommission, die derzeit für die Landesregierung an Empfehlungen zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes arbeitet, nicht in das Verfahren eingebunden wurde. Die Entwürfe haben den Landtag bis zum heutigen Tag nicht erreicht.
Wir haben in der vorletzen Sitzung des Innenausschusses einen Sachstand der Expertenkommission erhalten, der sich aber nicht mit den Inhalten sondern mehr mit der Verfahrensweise und dem Zeitplan beschäftigt hat.
Es bleibt abzuwarten wie die künftige bessere und effizientere Kontrolle erfolgen soll unsere Vorschläge sind dazu mehrfach eingebracht worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in einem ganz anderen Fragenbereich der Anfrage der Linken wird abgefragt, welche Kosten dem Land oder den Kommunen durch die Stationierungen von ausländischen Streitkräften in Hessen entstehen. Die Antwort ist kurz: Dem Land liegen keine Daten vor.
Dazu passt nicht der Artikel im gestrigen Wiesbadener Kurier, in welchem der Wiesbadener Kämmerer Axel Imholz im Rahmen der Diskussion um den KFA ins Feld führt, dass Wiesbaden bei der Abschaffung des Ergänzungsansatzes für Stationierungsstreitkräfte bei der Neuregelung Wiesbaden 2 Mio. Euro verloren gehen, obwohl die Bedarfe der Stadt für die Streitkräfte unverändert geblieben sind oder im Falle der Amerikaner, die ihren Standort ausgebaut haben, sogar noch gestiegen sind.
Die Antwort es lägen keine Daten vor, kann sich in der Antwort der Landesregierung also nur auf den Bereich der Bauten beziehen eine umfassende Antwort bleibt die Regierung schuldig. Vielleicht kann man in dem genannten Bereich noch nacharbeiten, ich denke da ist mehr Detailarbeit möglich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die große Anfrage der Linken hat große Bereiche eines sehr umfassenden Themas angesprochen vor allem Themen, die die Menschen im Moment berühren.
Besonders die Skandale um die Datenspionage und die damit immer wieder nur Tröpfchenweise an das Licht kommenden Beweise rufen in den sozialen Netzwerken eine Diskussion um den Umgang der Politik mit den Daten und Rechten der Bürgerinnen und Bürger auf.

Die Ahnungslosigkeit und die Ohnmacht gegenüber den Übermächtigen wie Facebook, Google, apple, uva. die private Daten nutzen, die Skandale der Geheimdienste um eigentlich grundgesetzlich geschützte Rechte.

Das alles führt nicht dazu, dass sich die Menschen mehr mit den Themen rund um Big Data beschäftigen sondern viele sehen weg, fordern nicht ihre Rechte oder wissen nicht wie sie gegen solche Übermacht entgegen treten können.
Wir brauchen deshalb mehr Kontrolle unserer Geheimdienste durch demokratische Gremien.

Moderne Rechtsprechung die sich im gleichlauf mit den technischen Möglichkeiten entwickelt und nicht hinterher hinkt.
Und wir müssen den Spagat zwischen der Freiheit im Netz und den persönlichen Rechten des Einzelnen hinbekommen in dem wir eine gesellschaftliche Diskussion führen und uns Regeln geben.
Wir werden hier noch viele Debatten zu diesem Thema führen.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.