am Donnerstag um 16:15 hatte ich wieder die Gelegenheit für die SPD Fraktion im hessischen Landtag eine Rede zu halten
Thema: Gesetzentwurf für mehr demokratische Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger in hessischen Kommunen zu halten:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit dem Gesetzentwurf für mehr demokratische Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger in unseren hessischen Kommunen greift die Linksfraktion ein Thema auf das, so glaube ich, uns schon alle in den Parteien wiederholt umgetrieben hat.
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und der kommunalen Selbstverwaltung vom 23. Dezember 1999 wurde das Kommunalwahlrecht völlig neu geregelt und die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens und besonders die Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie der Landrätinnen und Landräten eingeführt.
Die Befürworter dieser Änderung hatten damals schon den Wunsch mehr Menschen durch direktere Beteiligung an die Wahlurnen zu bekommen.
So zieht es sich durch die Jahre, dass immer wieder auch der berechtigte Ruf nach noch mehr und direkterer Beteiligung laut wird und gleichzeitig die Wahlbeteiligung immer weiter sinkt.
Gleiches gilt für die Bereitschaft sich in Parteien zu engagieren.
Fragt man an Infoständen, bei Veranstaltungen oder wo auch immer wir Abgeordnete in den Wahlkreisen unterwegs sind die Bürgerinnen und Bürger woran das liegt hört man oft das gleiche:
-die (wer immer das sein mag) machen ja doch was sie wollen
-es ist ja kein Geld da
-alles Lobby gesteuert
-alles ist alternativlos
Besonders schlimm wird es, wenn man den öffentlichen Aussagen in diesen Tagen bei bestimmten Demonstrationen glauben würde.
Wahrheitsgehalt und Einschätzungen dazu mal neben an gestellt. Es zeigt zumindest ein diffuses nicht beschreibbares Gefühl von der Politik nicht wahrgenommen zu werden.
Besonders, so hört man von der Wissenschaft, immer wieder sei dies in Wohnvierteln mit hohen Anteilen an sozial Schwachen zu beobachten. Sie fühlen sich abgehängt und Demokratie und Politik spielen bei ihnen keine Rolle.
Ich glaube aber das dies eine zu einfache Beschreibung des Problems wäre.
Die Beschriebenen Meinungen ziehen sich durch alle Schichten bis zu den sogenannten Eliten denen es Mittlerweile schlicht egal ist wer regiert.
Es geht ihnen nur um den eigenen sehr begrenzten persönlichen Bereich und ausschließlich um den eigenen ökonomischen Mehrwert.
Es ist aber genauso falsch alle Nichtwählerinnen und Nichtwähler über einen Kamm zu scheren wie es falsch ist dies mit allen politisch Verantwortlichen tun.
Der Gesetzentwurf der Linken mit dem demokratische Beteiligungsmöglichkeiten gestärkt werden sollen geht in Teilen in die richtige Richtung und wir haben damit eine Grundlage für die Beratungen im Ausschuss.
Ich hoffe dass die Koalitionsfraktionen nicht zu überrascht sind da sie so früh mit dem Thema konfrontiert werden, steht doch im Koaltionsvertrag, dass sie sich in der Mitte der Legislatur damit beschäftigen wollen.
Wir haben in der letzten Periode bereits einen Vorstoß zur Änderung der HGO und anderer Gesetze zu diesem Thema vorgenommen. Leider ohne den wünschenswerten Erfolg. Die Diskussion und die neue schwarz/grüne Konstellation werden zeigen ob sich da etwas weiter entwickelt hat.
Bevor ich auf die verschiedenen Vorschläge zu mehr Demokratie eingehe, möchte ich jedoch erst grundsätzlich auf die im Moment gelebte lokale Demokratie eingehen.
Wir haben in Hessen tausende ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und –politiker die in Ortsbeiräten, Gemeindevertretungen, Stadtparlamenten und Kreistagen erfolgreich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen und vertreten.
Meine Auffassung ist, dass wir wenn wir Politik vor Ort wieder interessanter, glaubwürdiger und attraktiver machen wollen, wir den bereits engagierten Menschen auch die Möglichkeiten dazu an die Hand geben müssen.
Die Verdrossenheit geht doch einher mit der immer größer werdenden Gängelung durch Innenminister und Aufsicht bis hin zu der vielfach und zuletzt am Dienstag diskutierten KFA-Reform.
Landauf – Landab, stöhnen und schimpfen diejenigen die, und da ist es wieder das Unwort des Jahrtausends, alternativlos Entscheidungen fällen müssen.
Die in ihrer Freizeit im Stadtparlament nur zusammen kommen, weil sie die Grundsteuer, die Kindergartenbeiträge, die Eintrittsgelder im Schwimmbad oder die Schließung des selbigen abnicken müssen.
Die den Bauantrag des dritten Supermarktes auf der grünen Wiese nicht verhindern können obwohl sie wissen, dass das letzte Lebensmittelgeschäft im Ort das nicht überlebt.
Die im Kreistag Hallenbenutzungsgebühren von ihren Vereinen beschließen müssen obwohl sie wissen, dass dort eine klasse Jugendarbeit gemacht wird die durch den Beschluss gefährdet wird.
Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Jedem hier im Raum, der kommunalpolitisch aktiv ist, fallen sicher noch mehr Beispiele ein.
Was den Städten und Gemeinden, den Kreisen in unserem Land fehlt, ist dass diese Strukturen gestärkt werden alles andere ist ein Angriff auf die repräsentative lokale Demokratie in unserem Land.
Wir stehen vor einer Kommunalwahl in 2016 und wir alle werden diese Probleme spüren wenn wir Listen aufstellen und Menschen suchen die sich diesen Herausforderungen stellen.
Schadenfroh könnte ich sagen, dass in meinem Heimatort bereits bei der letzten Kommunalwahl die CDU auf 7,1 % abgerutscht ist weil sie nicht mehr genug Menschen fand die auf die Liste gingen.
Aber das mache ich nicht. Alle die sich kommunalpolitisch engagieren habe es verdient, das ihre Arbeit nicht nur in Sonntagsreden gewürdigt wird, sondern das die Möglichkeiten des Gestaltens auch in Zukunft noch vorhanden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
dieses Dilemma vorangestellt, bleibt der Ruf bei Projekten, Bauvorhaben, Infrastrukturmaßnamen und vielen anderen Bereichen mehr die Bürgerinnen und Bürger interessieren, die Möglichkeit zu schaffen sich in das sie umgebende politische Lebensumfeld einzubringen.
Wenn wir solche Forderungen nach mehr Beteiligung ignorieren setzen wir uns dem Vorwurf aus, dieses Engagement nicht ernst zu nehmen.
Aber wie können wir diese Möglichkeiten schaffen.
Ein sehr geeignetes und erprobtes Mittel sind die Bürgerbegehren. Es lohnt sich diese Verfahren näher anzuschauen und zu überprüfen wie und in welcher Form die HGO an dieser Stelle weiter entwickelt werden kann.
Die Anpassung in der letzten Wahlperiode auf eine Staffelung je nach Größe der Stadt war und ist sinnvoll.
Wir bleiben allerdings dabei, dass auf der anderen Seite die starre Zustimmungsquote von derzeit 25 % ebenfalls gestaffelt werden sollte.
Bürgerentscheide sind, obwohl eine Mehrheit zugestimmt hat, gescheitert, weil sie diese, wenn man sich die Wahlbeteiligungen bei anderen Wahlen anschaut keine Seltenheit, nicht das erforderliche Viertel an Ja Stimmen bekommen haben.
Bei den weiteren Vorschlägen der Linken in ihrem Gesetzentwurf bin ich auf die weiteren Beratungen gespannt. Einiges halte ich für sehr interessant und diskutabel. Einiges kann man aber sicherlich so nicht fordern.
Bei aller notwendiger und längst überfälliger Beteiligung muss es für kleine Kommunen auch finanziell und personell leistbar sein.
Für meine Fraktion steht dabei immer oben an, dass wir bei allen direkten Beteiligungsmöglichkeiten im Blick haben, dass eben auch Alle daran teilhaben können.
Es bringt uns keinen Schritt weiter wenn sich nur die engagieren können die sowieso schon meinungsbildend sind. Sich mit Bürgerbegehren und -entscheiden zu beschäftigen kostet Zeit.
Entsprechend müssen wir dafür Sorge tragen, dass direkte Demokratie nicht eine noch stärkere soziale Selektion voran treibt und wir dadurch die Probleme nur verstärken.
Übertrieben gesagt macht es keinen Sinn wenn nur ein gebildeter, wohlhabender Teil sich einbringt wenn sie unmittelbar betroffen sind und der bildungsferne Mensch sich auf Grund der fehlenden Möglichkeiten noch mehr ausgegrenzt fühlt.
Es wäre kein Fortschritt wenn wir nur die Technik bestehender gesetzlicher Verfahren verbessern und erweitern. Es wird erst ein Erfolg wenn wir als Wählerinnen und Wähler verloren gegangene Schichten wirder dazu bringen sich mit der Politik wenigstens vor Ort zu beschäftigen.
Erfolgreiche Bürgermitwirkung zeichnet sich durch eine frühzeitige Information und Transparenz aus über das Verfahren über die Ziele und Inhalte und besonders dadurch, dass möglichst viele, am besten alle, Schichten der Bevölkerung mit einbezogen werden.
Jeder hat es bei Bürgerversammlungen schon erlebt, dass diejenigen, die sich schlechter artikulieren können meist untergehen, sich nicht zu Wort melden oder schon gar nicht zu solchen Veranstaltungen gehen.
Ein probates Mittel können hier auch die Nutzung von modernen Kommunikationsmitteln wie betreute Foren u. ä. genutzt werden, die eine schnelle und barrierefreie Bürgermitwirkung ermöglichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir werden uns für eine frühzeitige Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungsprozesse einsetzen.
Wenn es uns gelingt die Kommunalgesetze in Hessen so zu ändern, dass durch eine Kultur der Beteiligung die Identifikation und das Verantwortungsgefühl der Menschen für ihr unmittelbares Lebensumfeld steigt und die Eigenverantwortung des oder der Einzelnen für die Kommune nicht nur der Eigennutz ist dann ist die SPD-Fraktion dabei.
Überallem steht für uns das ausgewogenen Verhältnis von handlungsfähiger repräsentativer Demokratie im Regelfall und direkter Demokratie im Ausnahmefall.
Direkte Demokratie ist nicht demokratischer als die parlamentarische Demokratie aber sie bietet die Möglichkeit wieder mehr Menschen an die Wahlurnen zu bringen.
Ich freue mich auf eine spannende Beratung.